... oder: "Soll ich? Soll ich nicht?" ... "
Die Okarinas mit der bunten Bemalung waren mir schon öfters aufgefallen; leider aber auch negative Beurteilungen (... total verstimmt ... ). Davon wollte ich mir gerne selbst ein Bild machen. Der finanzielle Einsatz sollte aber nicht all zu hoch sein. Also hieß es abwarten ...
Kürzlich ergab sich dann eine günstige Gelegenheit.
Günstig genug, dass ich mir nach einigem Überlegen sagte: Ok. Das probiere ich jetzt aus.
Erster Eindruck
Optisch machen die beiden Okarinen einiges her. In der passenden Umgebung sind sie sehr dekorativ.
Der Klang ist schön.
Das Finden der Tonleiter ist schwierig, das Zusammenspiel mit anderen Instrumenten ebenfalls.
Doch dann ...
... erschloss sich eine neue musikalische Welt!
Aber der Reihe nach. ...
Der Weg des Suchens ...
Herkunft
Gerne hätte ich gewusst, aus welcher Werkstatt diese Instrumente stammen. Auf beiden Okarinas ist dieser Stempel eingedrückt.
Im Internet entdeckte ich ein Instrument, bei dem dieser Stempel besser eingedrückt worden war. Dieser zeigt noch zwei Bögen rechts und links der Herzspitze.
Auf welchen Okarinabauer mag der Stempel verweisen?
Falls Sie es wissen, teilen Sie mir doch bitte den Namen der Werkstatt oder des Herstellers für mein Okarina-Archiv mit.
Die Vorbesitzerin konnte mir lediglich mitteilen, dass diese Okarinas vor Jahren in Prag (Tschechien) gekauft wurden. Das muss aber nicht heißen, dass sie in diesem Land hergestellt wurden.
Intonation und Bespielbarkeit
Als Griffsystem vermutete ich erst einmal das Prinzip italienischer Travers-Okarinas. (Was sich später als falsch erweist.) Aber ohne Tricksen
bekommt man keine gut klingende diatonische Tonleiter hin.
Diese Instrumente gehören zu denen, deren Grundton so intoniert ist, dass man ihn durch Nachgeben des Blasdrucks einen Halbton absenken kann. Das ist eine schöne Sache.
Aber dann kommt die erste Stolperfalle. Für den 2. Ton muss man den Blasdruck etwas schwächer ansetzen als für den ersten. Beachtet man das nicht, landet man auf der kleinen Terz anstatt auf der
großen Sekunde.
Die zweite Stolperfalle: Man muss die Tonleiter mit sehr niedrigem Blasdruck starten. Die tiefsten Töne dürfen nur ganz leicht "gehaucht" werden. Beachtet man das nicht, gerät man schnell einen
Halbton oder mehr zu hoch. In diesem Fall rutscht man bei der großen Okarina von D4 auf Es4 oder sogar noch höher.
Am Ende der Tonleiter hat man einen wesentlich geringeren Intonations-Spielraum als zu Beginn. Für einen zu hoch angesetzten Grundton ist die 11. Stufe daher nicht spielbar. Schon bei der 9. Stufe muss mit "Piano-Griffen" getrickst werden. Das heißt, man öffnet ein zusätzliches Griffloch. Für die 10. Stufe müssen in so einem Fall alle Grifflöcher geöffnet werden. Dadurch verkürzt sich die Tonleiter, wenn man zu hoch startet.
Eine exakte Intonation gestaltet sich mit meinen beiden Instrumenten schwierig.
Ich spiele gerne mit entspanntem Blasdruck. Wenn ich aber wie bei diesen Okarina ständig aufpassen muss, dass ich nicht zu hoch gerate, suche ich mir "Forte-Griffe". Mit Hilfe solcher Griffe wird die Tonhöhe ein wenig abgesenkt. Um auf die korrekte Tonhöhe zu kommen, erhöht man den Blasdruck gleichzeitig ein wenig. Da die Okarina dadurch etwas lauter wird, kann man diese Sondergriffe "Forte-Griffe" nennen.
(Mit einem veränderten Griffsystem ist es auf dieser Okarina also durchaus möglich, eine abendländische Tonleiter zu spielen. Aber es sollte sich noch zeigen, dass eigentlich etwas ganz anderes in ihr steckt.)
Klang
Meine "Herz-Okarinas" hören sich trotz der nur leise gehauchten Töne rund und voll an. Das versöhnt mich mit den schwierig zu intonierenden Instrumenten. Man kann sich damit in eine gemütliche
Ecke verziehen und entspannt vor sich hin dudeln, ohne die Nachbarn zu stören. :-) Für das Spielen abendländischer Musik halte ich sie aber nicht bzw. nur eingeschränkt geeignet.
(Wenn man versucht, auf einer Okarina mit einem für bulgarische Musik gedachten Stimmsystem abendländische Musik zu spielen, ist dieser Eindruck nicht verwunderlich. Für Musik die auf Tonskalen mit engen Schritten basiert, könnte sie dagegen geeignet sein. Leider kenne ich mich mit derartiger Musik nicht aus, so dass ich das nicht beuurteilen kann.)
Einsatzmöglichkeiten
Wer mit extremer Soft-Breath-Spieltechnik gut zurecht kommt, viel alleine spielt und Angst hat, seine Nachbarn zu stören, kann diese Okarinas eventuell gebrauchen. Da es aber schwierig ist, sie
sauber intoniert zu spielen, sind sie für Anfänger nicht ratsam.
Okarinas, die mit dermaßen niedrigem Blasdruck gespielt werden, sind für traditionelles, konzertantes Musizieren vermutlich kaum interessant. Ich denke, sie passen eher für experimentelle
Klangcollagen oder Klangmeditationen.
(Mann muss berücksichtigen, dass dies offensichtlich keine italienischen Okarinas sind. Der Versuch, einer bulgarischen Okarina eine abendländische Tonleiter nach italienischem Vorbild abzuringen, kann nur scheitern, wenn diese für ganz andere Musikstil eingerichtet wurde.)
Erstes Resumé
Die "Herz-Okarinas" sind hübsch anzuschauen und ich freue mich, dass ich sie bekommen konnte. Zum "normalen" Musizieren sind mir aber andere Instrumente lieber.
Da ich außer meinen beiden Instrumenten bislang keine weiteren Okarinas dieser Art ausprobieren konnte, kann ich nicht beurteilen, ob andere Okarinas dieser Bauart genauso, besser oder schlechter
sind und ob hinter ihrer Intonation möglicherweise ein völlig anderes Stimmsystem steckt, als ich zunächst erwartet habe.
(Diese Überlegung führte dazu, arabische Tonskalen zu recherchieren.)
11.12.2017
Die Okarina lässt mir keine Ruhe ...
Wie passt die scheinbar "schlechte" Intonation zu der schönen Verarbeitung und dem schönen Klang ?
Könnte es nicht sein, dass die Okarina tatsächlich einem ganz anderen, mir unbekannten Stimmsystem folgt?
Aber welchem?
Könnte es eine Bulgarische Okarina sein?
Auf der Bulgarischen Webseite http://bulgariatravel.org/data/media/173_010_Etnografski_institut_BAN.jpg
fand ich das Foto einer ähnlich geformten Okarina. Nur die aufgemalten Muster sind anders. Wenn ich die automatische Übersetzung des Textes richtig verstanden habe, stammen die dort abgebildeten Instrumente aus dem Museum des Ethnographischen Instituts an der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften in Sofia. Leider gibt es keine Hinweise auf die Stimmung.
Videos können einen Eindruck davon vermitteln, wie Instrumente gespielt werden und klingen. Hier ein paar Stichproben.
Zu den Videos
Im ersten Video sieht man den bulgarischen Musiker Trifon Trifonov eine Melodie mit bulgarischer Tonskala spielen.
Im zweiten Video sieht man Bilder vom Bergdorf Trakkovo und hört einen von Trifon Rifonov auf der Okarina gespielten Horo (bulgarischer Tanz)
Für das dritte Video übersetzt die Automatik den Text so:
Kiril Parvanov-Tsenovo-oarina, Pfeife, Feder, Trompete
Auftritt des Dramatikers Kiril Parvanov aus dem Dorf Tsenovo, Gemeinde Tsenovo, Bezirk Rousse beim 46. Golden Gadulka Folk Festival, das am 7. Juni 2015 im Jugendpark stattfand. Er spielt eine Vielzahl von Instrumenten - Ohrringe, Pfeifen und Federn und endet mit einer Trompete.
Den Titel des vierten Videos übersetzt die Automatik mit:
Schwester Bratz Kani - Melodie von Okarina
12.12.2017
Heute erhielt ich vom Okarinabauer und -kenner Johann Rotter die Bestätigung für meine Vermutung: Er teilte mir mit, dass diese Okarinas in Bulgarien gebaut wurden.
13.12.2017
Seitdem klar ist, dass die Okarinas aus Bulgarien stammen, versuche ich auf völlig andere Weise in die Tonleiter des Instruments hineinzufinden. Ich spiele den Anfang der Tonleiter nun nicht mehr mit extrem niedrigen Blasdruck, sondern mit einem, bei dem die Töne einen guten, stabilen Klang haben.
Sobald man aufhört, dem Instrument eine abendländische diatonische Tonleiter abzuringen, wird der Weg frei für neue Klangerfahrungen. Es ist spannend für mich, in das Instrument hinein zu horchen und seine Möglichkeiten auszuloten.
Eine gute Übung ist es, die Tonleiter vom obersten Ton in überwiegend kleinen Schritten abwärts zu spielen. Da Okarinatöne flexibel sind, kann man dabei immer wieder andere Tonleitern finden.
14.12.2017
Nachdem ich inzwischen einige Male mit den Okarinas (meistens
mit der großen) gearbeitet habe, finde ich mich immer besser in ihre Tonskala hinein. Sobald man sich auf diese einlässt, entwickelt die Okarina einen wunderbaren Klang! Da ich von Bulgarischer Musik keine Ahnung habe, folge ich einfach dem Klang der Okarina. Der zeigt mir dann schon, wo's lang geht.
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