Im Zeichen des Bullen

Das Symbol des Bullen wird seit 2011 von Song Wei als Signatur oder Markenzeichen für ICO = Imperial City Ocarina genutzt.

In der Okarinacommunity wurden die mit dem Bullenkopf markierten Instrumente lange insbesondere von denen geschätzt, die mit leichtem bis mittlerem Blasdruck zu spielende Instrumente mit mäßiger Lautstärke mögen. Im Laufe der Jahre entwickelte Song Wei auch ein Tuning für stärkeren Blasdruck und bietet an, die Instrumente gemäß Kundenwunsch einzurichten. Wie das funktioniert, weiß ich nicht, da ich nie etwas in China bestellt habe.

Die durch Zufälle in meine Sammlung gelangten Instrumente sind mit persönlichen Erlebnissen verknüpft und für mich schon allein aus diesem Grund etwas Besonderes. Aber sie haben auch einen hohen musikalischen Wert für mich, weil sie gut intoniert sind und sich in einer Weise spielen lassen, die mir sehr gut gefällt.

 

SC/Sopran gold

Die kleine goldene SC/Sopran in C fand als erste den Weg in meine Sammlung. Sie ist ein Beispiel für die von Tina Hardison (USA) gestalteten Imperial City Okarinas von Song Wei.

AF und BC

Zwei der drei naturfarbenen Instrumente entdeckte ich 2017 im Fotoalbum eines Okarinasammlers, der sich dort nach dem Namen des Okarinabauers erkundigte.

Im August 2011 schrieb er:

"Diese Okarina habe ich gekauft, ohne den Hersteller zu kennen. Kann mir jemand den Namen nennen?"

Den Antworten konnte ich keine konkreten Hinweise entnehmen. Das Symbol, ein angedeuteter Stierkopf, war damals vor 8 Jahren noch nicht so bekannt, wie heute (2019). Und die Zeichen unter dem Stierkopfstempel, konnte damals niemand entziffern.

Auf der ICO Webseite fand ich 2017 für diesen ausgefallenen Schriftzug auch keine Erklärung. Daher bat ich Tina Hardison (USA) um Hilfe. Sie arbeitet für ICO als Designerin und hatte dadurch die Möglichkeit Song Wei direkt zu fragen. Von ihr erfuhr ich dann, dass dies Song Wei's alte Signatur sei. Die Schriftzeichen seines Namens sind künstlerisch gestaltet und rückwärts geschrieben.

 

Das war im Januar 2017.

 

Wie diese Schriftzeichen aussehen, erfuhr ich zwei Jahre später (September 2019) von einem Brieffreund, einem in Amerika lebenden chinesischen TON-Mitglied, der sich mit chinesischen Schriftzeichen auskennt. Er schickte mir die Schriftzeichen für Song Wei zum Vergleich.

Mir gelang es jedoch nicht, diese Zeichen mit der Signatur in Deckung zu bringen.

Dann hatte mein Brieffreund die zündende Idee. Er drehte das Foto um 90°, spiegelte die Zeichen und zeichnete sie dann in einer anderen Farbe nach.  Das rote Zeichen steht für "Song" und das schwarze für "Wei".

Die Schriftzeichen stehen auf der Okarina also übereinander. Sie sind ein wenig künstlerisch verfremdet und beim Symbol "Wei" erkennt man eine Spiegelung. Da das obere Symbol "Song" nahezu symmetrisch ist, fällt bei diesem die Spiegelung nicht auf.

 

Das Rätsel war nun gelöst! Prima!

 

Datierung der Okarinas

Von Tina Hardison erfuhr ich, dass Song Wei seine Okarinas mit dieser großen Signatur bis 2011 ohne weitere Zusätze kennzeichnete. Der Stierkopf kam erst 2011 hinzu. Die auf den Fotos zu sehende Kombination der raumgreifenden Schriftzeichen mit dem Stierkopf nutzte Song Wei nur kurz (2011 - 2012). Die große Signatur entfiel ab 2013. Seitdem ist der Name Song Wei nur noch in einem kleinen Stempel zu finden, der die chinesischen Schriftzeichen nebeneinander zeigt.

 

Wer die beiden nächsten Fotos anklickt, springt zu Song Wei's Webseite und kann dort in Englisch noch mehr über die Okarinas und den Okarinabauer erfahren.

Bildquelle: https://imperialcityocarina.com/about-song-wei-and-his-products.html

Da die im Fotoalbum des Okarinasammlers entdeckten ICO Okarinas die nur für kurze Zeit verwendete Kombination von Bullen-Stempel und großer Signatur tragen, gehe ich aufgrund von Tinas Informationen davon aus, dass ihre Herstellung in das Jahr 2011 datiert werden kann.

 

Was wir auf den uns 2017 zur Verfügung stehenden Fotos nicht erkennen konnten: Der kleine Stempel ist auch auf den aus 2011 stammenden Okarinas zu finden. Er ist auf der Seite aufgedrückt.

Die Okarina die ich Juni 2017 von Tina erhielt, ist auf dem Mundstück mit dem Stierkopf und auf der Seite mit der kleinen Signatur gestempelt. Sie muss circa 2016 entstanden sein, frühestens 2015. Tina bearbeitete sie Ende 2016 oder Anfang 2017.

In dem naturfarbenen ICO Set aus dem Okarinamuseum von Hans Rotter war ebenfalls eine SC enthalten. Formgebung und Signatur sind mit der der goldfarbenen SC Okarina identisch. Nur das Finish unterscheidet sich. Sie ist mit einer transparenten Schicht überzogen.

Spieleigenschaften der SC

 

Die kleinen Sopran-Okarinas in C,  also die C1 nehme ich nur selten zur Hand, weil mir diese Tonlage schnell in den Ohren beißt, wenn ich sie voll ausspiele. Laute (weil mit hohem Blasdruck gespielte) C1 Okarinas kann ich nur mit Musiker-Ohrstöpsel spielen. Ich bin froh, dass es so etwas gibt und ich dadurch die C1 nutzen kann.

 

Intonation

Die SC von ICO muss mit etwas erhöhtem mittlerem Blasdruck gespielt werden, wenn man die gedachte Intonation treffen will. Bis zum hohen C wird eine nur leicht ansteigende Blasdruckkurve benötigt. Für die letzten Töne muss der Blasdruck deutlich verstärkt werden.

 

Der hohe Blasdruck macht Okarinas generell laut. Da mir das um so unangenehmer ist, je höher die Stimmlage ist, spiele ich die SC gerne auch mal einen Halbton tiefer, also in H. Dafür benötige ich bei der SC von ICO einen leicht abgeschwächten mittleren Blasdruck. Auch in dieser Tonlage klingt die ICO SC schön klar und sauber in sich gestimmt. In dieser Stimmlage kann ich sie bis zur Oktave für kurze Zeit auch mal ohne Ohrstöpsel spielen und dann ihren schönen Klang ungefiltert hören.

 

Ergonomie

Die ICO SC liegt mir gut in der Hand. Die Finger fanden ihre Löcher auf Anhieb. Die Abstände der Grifflöcher geben meinen Fingern eine angenehme Bewegungsfreiheit. (Gesamtbreite meiner vier Finger  6,5 cm). An den Enden ist genügend Platz für Stützgriffe. Die seidenmatte Oberfläche macht die Instrumente griffig.

 

Verarbeitung

Eine der beiden SC erhielt ein Finish, das Tina Hardison "Gilded Antique" nennt. In der Produktbeschreibung ist folgende Erklärung zu lesen (Übersetzung):

Auf eine glasierte Oberfläche wurden bunte Messingblattstücke aufgetragen. Anstatt den Überschuss vorsichtig abzubürsten, wurde er mit einem Tuch kräftig abgewischt, sodass ein Teil der Oberfläche darunter durchscheinen konnte. Dann wurde ein Klarlack für die Haltbarkeit aufgetragen.

Diese Oberfläche ist zwar ziemlich haltbar, jedoch wie aufgetragene Farbe nicht so haltbar wie eine gebrannte Glasur. Daher erfordert sie eine sorgfältigerere Handhabung und man muss bei intensivem oder unvorsichtigem Gebrauch damit rechnen, dass sich die Oberflächenbeschichtung abnützt.

Sie darf auf gar keinen Fall mit Alkohol gereinigt werden. Zum Säubern wischt man diese Oberfläche immer nur vorsichtig mit einem (Wasser) feuchten Tuch ab. Die Okarina darf niemals längere Zeit extremer Hitze oder direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden.

 

Das transparente Finish der anderen SC von ICO könnte Schellack oder Acryllack sein.

Spieleigenschaften der AF und BC

 

Intonation

Zunächst spielte ich die Okarinas ausschließlich nach Gehör, also ohne Referenztöne durch ein begleitendes Instrument und ohne Blick auf ein Stimmgerät. Mit mittlerem Blasdruck und leicht ansteigender Blasdruckkurve klang die Intonation über die gesamte Tonskala in sich stimmig. Es ist sehr angenehm, so mit diesen Instrumenten zu spielen.

 

Als ich mein Spiel mit dem Stimmgerät kontrollierte, war abzulesen, dass ich mit meinem gewohnten Blasdruck über der vom Okarinabauer gedachten Intonation lag. Ich musste den Blasdruck also zurück nehmen, um auf die korrekte Tonhöhe zu kommen. Das funktionierte zwar und bei ruhiger Musik gefällt diese Art zu spielen, dennoch ist sie für mich gewöhnungsbedürftig. Bis die Intonationen mit diesen beiden für mich neuen Instrumenten im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten einwandfrei funktioniert, werde ich einiges üben müssen. 

 

Um den für die gedachte Intonation benötigten Blasdruck beurteilen und beschreiben zu können, erkunde ich zu jeder Stufe die Tonraumspanne. Mit "Tonraumspanne" meine ich den Abstand zwischen dem höchsten und tiefsten Ton, der in diesem Fall allein durch Änderung des Blasdrucks erreicht wird, ohne den jeweiligen Griff zu ändern. Dadurch findet man den Intonationsspielraum für jeden einzelnen Ton heraus. 

Der Intonationsspielraum der tiefen Töne ist generell größer, als der der obersten Töne. Wie groß der Intonationsspielraum bei den einzelnen Tönen ist, kann sich von Okarinamodell zu Okarinamodell unterscheiden.

 

Unabhängig von der Größe des Intonationsspielraumes benutzte ich für die Angabe des Blasdrucks eine Skala von 1 bis 5:

 

 1 = Extrem soft

 2 = Soft

 3 = Medium

 4 = Mezzoforte

 5 = Forte

 

Je höher man in der Tonleiter steigt, um so enger wird der Intonationsspielraum. Das hat zur Folge, dass auch die Bereiche von 1 bis 5 immer enger zusammen liegen.

 

Für die verschiedenen Okarinas gewann ich folgenden Eindruck:

 

BC Okarina - Tonraum A4 bis F6

Die Bass-Okarina hat einen vollen, runden Klang. Das tiefe A ist nur mit sehr niedrigem Blasdruck sauber zu erreichen. Von h bis g' spielt man mit nahezu gleich bleibendem niedrigen Blasdruck. Bis zum c'' legt man geringfügig zu und steigert dann den Blasdruck noch etwas bis zum hohen f''.

Zu hoher Blasdruck lässt die Töne rauschig und heiser werden. Und wenn man immer stärker bläst, wird der Ton der Okarina irgendwann abgewürgt. Bleibt man im vorgesehenen Bereich des Blasdrucks, ist der Klang sehr schön.

Abstufung der Blasdruckkurve in Zahlen (Definition der Zahlen siehe oben): 

 

BC

1

2

2

2

2

2

2/3

3

3

3

4

4

4

 

a

h

c'

d'

e'

f'

g'

a'

h'

c''

d''

e''

f''

 

AF Okarina - Tonraum D5 bis H6

Das Klangbild der AF ICO ist kraftvoll und klar ohne aggressive Lautheit. Die Blasdruckkurve ist für mein Empfinden flacher, als die der BC. Der benötigte Blasdruck liegt bis ganz oben hinauf irgendwo im mittleren Bereich. Steigert man den Blasdruck zu stark, wird der Ton heiser und schlägt irgendwann in ein helles, scharfes Fiepen um.

 

Blasdruckkurve

AF

2

2

2

2

2

2

2/3

3

3

3

3

3

3

 

d'

e'

f'

g'

a'

b'

c''

d''

e''

f''

g''

a''

b''

 

b (deutsch) = Bb (englisch)

 

Luftverbrauch und Ansprache BC und AF

Beide Okarinas sprechen auf zarten Blasdruck sehr gut an. Auch bei niedrigem Blasdruck erhält man sauber definierte, klar klingende Töne. Das setzt natürlich voraus, dass man mit gestützter Atmung zu spielen weiß. Der geringe Luftverbrauch ermöglicht großbogiges Spiel/lange Phrasierungen.

 

Ergonomie

Beide Okarinas liegen mir sehr gut in der Hand. Die Grifflöcher sind angenehm positioniert und für meine kleinen Hände sehr gut zu greifen.  Das spitze Ende lässt sich vom kleinen Finger gut fassen. Für Sicherungsgriffe ist viel Platz.

 

Die Subholes sind auf beide Hände verteilt. Mit den Mittelfingern sind sie gut erreichbar. Der Abstand der Subholes ist groß genug, dass sie beim Spielen der Grundgriffe nicht versehentlich abgeschattet werden. Da ich Subholes nur selten nutze, muss ich bei schnellen Tonverbindungen aufpassen, dass ich das tiefe A so erwische, dass der Ton tief genug ist. Fabio Galliani gab mir den Tipp, den A-Griff als Bb-Griff zu nutzen und auf das A zu verzichten. Auch 'ne Idee. 

 

Verarbeitung

Die naturbelassene Oberfläche des fein schamottierten Tons ist angenehm griffig. Trotz der auf der Oberfläche zu sehenden Schamotte fühlt sich die Oberfläche des dunklen Tons in den Händen und an den Lippen schön glatt an. Ich habe den Eindruck, dass diese alten Okarinas mit Wachs versiegelt wurden. Tina Hardison berichtete mir, dass Song Wei früher für das Wachsen der Okarinas Carnaubawachs oder eine Carnaubawachsmischung benutzte. Das ist ein natürliches, für die Gesundheit unbedenkliches Mittel mit vielseitiger Verwendung (> Wikipedia) Der hohe Schmelzpunkt dieser Wachssorte sorgt dafür, dass die Okarinas durch die Wärme der Hände nicht klebrig werden. Für mich fühlen sich diese Okarinas irgendwie samtig an, ein schwer zu definierendes, schönes Gefühl. Ein Wachsgeruch ist nicht mehr feststellbar.

 

Diese Bass-Okarina ist eine gute Wahl für das Musizieren in einer Mietwohnung, zum Spielen entspannender oder meditativer Musik, um Kinder in den Schlaf zu spielen oder sich in eine Gruppe leiser Instrumente einzubringen. Wegen der guten, direkten Ansprache lässt sie sich auch für spritzige Melodien oder "tupfende" Begleitstimmen verwenden.

 

Die Alt-Okarina AF ist ein vielseitig einsetzbares Instrument, mit dem man Melodien unterschiedlichen Charakters umsetzen kann. In dem vollen Klang höre ich manchmal ein sehr leises feines, metallisches Klingen, was dem Klangbild der AF-Okarina eine ganz eigenen Charakter verleiht.

 

Voicing

Das Fenster der großen Okarinas (AF und BC) ist V-förmig mit einem runden Bogen. Die Rampe hat die Form eines asymmetrischen Ovals, das von der Fensterspitze weg flach ausläuft.

Das Fenster der Sopran-Okarina SC ist ebenfalls V-förmig. Die Rampe der SC Okarinas sieht dagegen ganz anders aus. Sie ist rechtwinklig geschnitten und hat senkrechte Seitenwände.

Schlussbetrachtung

Meine BC- und AF-Okarinas sind für mich angenehm zu spielende Soft-Medium-blow-Okarinas, die ich gerne zur Hand nehme, wenn mein Spiel nicht durchs ganze Haus schallen soll oder ich einfach ganz entspannt musizieren möchte. Wenn ich beim Musizieren Energie entladen will, greife ich eher zu Okarinas, mit denen ich mehr Druck machen und ausdrucksstärker spielen kann.

ICO - Okarinas nach Kundenwunsch

ICO bietet auch Instrumente für stärkeren Blasdruck an. Es ist möglich, eine Okarina seinen Vorstellungen entsprechend intonieren zu lassen.  Ausprobiert habe ich das bislang noch nicht. Hier die Informationen:
https://imperialcityocarina.com/customizations.html

 

Tina Hardison ist auch über den Messenger/FB sehr gut erreichbar.

https://www.facebook.com/tina.hardison.5

 

Der Okarinabauer Song Wei

Song Wei wurde 1967 im Nord-Osten Chinas geboren. Seine Laufbahn als Keramiker begann 1983 am Keramikinstitut Shenyang, wo er vielfältige Projekte sowohl in Porzellan als auch Terracotta entwickelte. Mit seinen Arbeiten nahm er erfolgreich an zahlreichen Ausstellungen und Wettbewerben teil.

 

1998 erweiterte er seine künstlerische Arbeit, indem er begann Gefäßflöten zu bauen: Okarina, Xun und die Mankou Xun. Seit 2007 stellt er die Toninstrumente hauptberuflich her.

 

Auf Song Wei's Webseite sind noch viele weitere Details zu seinen Instrumenten und seiner Geschichte zu lesen: http://imperialcityocarina.com/about-song-wei-and-his-products.html